Wie funktioniert Frieden?
Wie funktioniert Frieden?

"Die schlimmste Folge machtorientierter Gesellschaften, wo Liebe und Ebenbürdigkeit zwischen den Geschlechtern fehlen, zeige sich in der psychischen Verfassung aller Beteiligten.

Und zwar durch die Verleugnung der Tatsache dass die Genererierung eines Selbstwertes hier nur auf der Basis der Unterdrückung anderer möglich ist." Arno Gruen

 

"Es geht nicht darum, dass Frauen den Männern einfach die Macht entziehen, denn das würde nichts an der Welt ändern. Es geht darum, diesen Machtbegriff zu zerstören." Simone de Beauvior

Statuskämpfe sind kein Win-Win-Spiel

Dreh"Schwindel" im Selbstwertkarussell

Die frühe massive Ausrichtung auf funktionales Denken, Handeln und letztlich auch „Fühlen“, im Sinne von Ausbalancierung des seelischen Gleichgewichtes zum Erhalt von Anpassungsfähigkeit,  prägt unser Dasein über den acht und mehr Stunden Arbeitstag hinaus bis in den privaten Raum.

 

Dieser stringente Rahmen an vorgegebenen Normen, Werten, kontinuierlichen Leistungsanfordernissen welche täglich an uns herangetragen werden, bleiben natürlich nicht ohne Konsequenzen für unser seelisches Erleben.

 

Zwar ist sowohl im schulischen wie auch beruflichen Bereich Kreativität, flexibles ganzheitliches Denken und Visualisieren sowie Emphatiefähigkeit gefragt, jedoch sind diese Qualitäten streng zweckorientiert in einen effizienten schulischen oder beruflichen Ablauf eingebunden.

 

Der Bereich der rechten Hirnhälfte, welche die Dimensionen des seelisches Erlebens, Gespür für Schönheit, Poesie, Fantasie, Kreativität, Offenheit, auch für sinnliche Wahrnehmung und Erleben, sowie die Möglichkeit eines  vertieften Zuganges zu unserem SEIN bereithält, verkümmert.  Er findet zumeist viel zuwenig oder gar keinen Platz in dem hochfunktionalem Leben des Einzelnen.

 

Genauso wenig ist Platz (und hatte auch keine ausreichende Entwicklungsmöglichkeit) für emphatisches Denken und Handeln, der Fähigkeit des Ein- und Mitfühlens in andere lebendige Wesen.

 

Funktionierender Wirtschaftskapitalismus hat seine eigenen Bedingungen und kein Interesse an gelebter Verantwortung durch emphatische Wahrnehmung und Fühlen z.B. mit den Millionen von Tieren die täglich in Deutschland unter zuvor inhumansten Bedingungen in der Massentierhaltung, ihr Leben lassen. Und hier sind Zahlen von Wert: Nur 4% des auf den Markt gebrachten Fleisches ist Biofleisch.  Eine auschließlich vegane Ernährung praktizieren aktuell 3,2 % der Menschen in Deutschland.

 

Umso mehr besteht jedoch in der Welt des Kapitalimus ein Interesse, unsere nach wie vor vorhanden seelischen Bedürfnisse und Sehnsüchte nach Traum, Fantasie und Freiheit, nach Neuem und Überraschung, sinnlichem Erleben und Gefühlen, Lebendigkeit und Lebensfreude, in Surrogatformen abzuleiten und damit in finanziellen Gewinn, u.a. durch Medienkonsum und Verführung in die schillernde Welt der Konsumgüter.

 

Dies ist ja nun alles nicht neu, hat jedoch in seiner ganzen TRAGWEITE einen enormen Einfluß auf unser aller (zeitlich begrenztes) Leben.

Das Paradigma von Dominanz und Stärke

Durch die einseitige Ausrichtung auf den Verstand, die Logik und analytisches Denken ist unsere Erfahrung von Welt, von Sein, von Lebendigkeit und auch emphatischen Mitempfinden stark reglementiert. Wir bewegen uns in den Schablonen einer konstruierten Wirklichkeit die nur einen Teil der Erfahrung von Wirklichkeit bereit hält und für Wert erachtet. Dieser Teil, gestützt von Normen und Werten einer Gesellschaft implantiert bestimmte Ideen über Wirklichkeit in den Einzelnen.

 

Hierzu gehören nach Arno Gruen die Ausrichtung auf einem Wettkampf um Ressourcen und damit Rivalität und Kampf. Vgl. Arno Grüen „Wieder die kalte Vernunft“; 2016, S.14

 

„Der Wechsel von sozialen Strukturen, die Kooperation und Empathie förderten, zu solchen die eine Entstehung von Macht, Unterdrückung, Zwang, und Kontrolle nahelegten, muss innerhalb eines Kontextes stattgefunden haben, der das Anhäufen von Privateigentum und die Entwicklung von Autorität und Gehorsam begünstigten. Die frühen Sumerer zum Beispiel waren im 3. Jahrtausend vor Christus aktive Kolonisatoren und Imperatoren.

Der Übergang zu einer Dominanz der linken Gehirnhälfte mit ihrem Fokus auf Details statt aufs Ganze ging wohl mit der Veränderung des menschliche Bewußtseins einher und trieb diesen Prozess voran.

Stärke wurde nun gleichgesetzt mit Macht und Besitz. Diesen Vorgang belegen die Darstellungen von Herrschern der „großen“ Zivilisationen wie China, Indien, Persien, Ägypten, aber auch die der Inkas, Akzteken und so weiter.“ Arno Gruen „Wieder die kalte Vernunft“; 2016, S.36- 37

 

Berührbarkeit vs. Statuskämpfe
Berührbarkeit vs. Statuskämpfe

Wieso fragt der Literaturnovelpreisträger J.M.Coetzee in seinem Roman „Warten auf die Babaren“, ist es für uns unmöglich geworden in der Zeit zu leben wie die Fische im Wasser, wie die Vögel in der Luft, wie die Kinder. Damit deutet er darauf hin das authentisches Erleben nicht möglich ist in unserer Kultur, die einerseits den Verstand verherrlicht, anderseits ihn jedoch problematisch macht, indem sie von Geburt an unser Gefühlsleben verkümmern lässt. Wir verdammen uns dazu, so Coetzee, ..dazu gebracht (zu) werden, von Gedanken beherrscht zu werden im Wettbewerb nicht unterzugehen. Wir befinden uns deshalb in einem ständigen einem Überlebenskampf dessen Ziel es ist nicht heruntergemacht zu werden, nicht zu versagen. Was authentisches Erleben sein sollte wird so irrational, da die Angst unterzugehen, zu versagen im Menschen die Möglichkeit beraubt mit den primären Kräften des wirklichen Lebens in einem unmittelbaren Kontakt zu stehen. Alles wird zum Ausdruck eines Kampfes. Leben als Ausdruck von Liebe, von emphatischen Wahrnehmungen, von Mitgefühl geht verloren. An seiner Stelle tritt die stets lauernde Angst vor der Ohnmacht. Das Streben nach Sicherheit führt zum Verlust des Mitgefühls und zu Manipulation von Menschen und so wird der Mensch in unserer Zivililisation auf Status und gesellschaftliche Positionen reduziert, die dann als Beweis für gesellschaftlichen Fortschritt gelten. Man glaubt so stets konkrete Beweise für die eigene Überlegenheit zu finden. So wird die Wahrnehmung unserer tatsächlichen Geschichte unmöglich. Der Ursprung unserer Zivilisation liegt in Eroberung und Unterdrückung..(YT, Lesung, Arno Gruen aus der „Fremde in uns“).

Berührbarkeit und ihr Fehlen

Die unbefriedigte Sehnsucht die eine  Ausgrenzung des rechtshirnischen Bereiches zur Folge hat, zeigt wunderbar die angebliche Rede des Häuptlings Seetle die jedoch in ihrer abschließenden Form 1972 von Ted Perry für einen Fernsehfilm über Ökologie verfasst wurde und ein wichtiger Text der damaligen Friedensbewegung wurde.

 

Der Text spiegelt die Sehnsucht des  westlichen Menschen nach lebendiger ursprünglicher Verbundenheit und unvermittelten Leben wieder; hier ein Auszug: 

 

"Wie kann man den Himmel kaufen oder verkaufen - oder die Wärme der Erde? Diese Vorstellung ist uns fremd. Wenn wir die Frische der Luft und das Glitzern des Wassers nicht besitzen - wie könnt Ihr sie von uns kaufen? ... Jeder Teil dieser Erde ist meinem Volk heilig, jede glitzernde Tannennadel, jeder sandige Strand, jeder Nebel in den dunklen Wäldern, jede Lichtung, jedes summende Insekt ist heilig, in den Gedanken und Erfahrungen meines Volkes. ...Wir sind ein Teil der Erde, und sie ist ein Teil von uns. Die duftenden Blumen sind unsere Schwestern, die Rehe, das Pferd, der große Adler - sie sind unsere Brüder. Die felsigen Höhen, die saftigen Wiesen, die Körperwärme des Ponys - und des Menschen - sie alle gehören zur gleichen Familie ..."

 

Zugleich wird hier die Abspaltung deutlich, die wir von unserer natürlichen Verbundenheit mit allem Lebendigen erlitten haben.

Durch die einseitige Konzentration auf Verstand, Rationalität und Pragmatismus, sowie durch unser Eingebundensein in die Anforderungen eines Alltags, der durch den Überlebenskampf unseres ICH`s geprägt ist,  wird die Entfaltung seelischem Erlebens beinahe verunmöglicht. Die Installation eines "Selbstwertes" und unterschwellige Statuskämpfe tragen zentral dazu bei.

 

Dadurch sind wir nicht mehr oder kaum noch BERÜHRBAR, wir haben die Fähigkeit verloren Leiden in seiner ganzen Tragweite in unserem näherem und weiteren Umfeld zu SEHEN und zu MitzuFÜHLEN, auch in Bezug auf das Leiden in und an uns selbst. Genau darum existieren auch jahre-, jahrzehntelange Missstände in Alten- und Pflegeheimen, machen sich Kinder in Schulen auf grausame Weise das Leben gegenseitig zur Hölle, lassen wir fühlende Wesen als unsere Nutztiere ein kurzes, überaus qualvolles Leben in der Massentierhaltung erleiden.

 

Wir haben unsere Fähigkeit eingebüßt, durch Handlung diesem Leiden Abhilfe zu verschaffen!  In dieser Hinsicht ist die an Fahrt aufnehmende Klima- und Umweltkatastrophe gleichzeitig Spiegel unseres verkümmerten seelischen Erlebens, als auch Konsequenz unserer ("merkwürdigen") UNFÄHIGKEIT zu handeln.

Das Prinzip "Selbstwert"

"Es könnte in unserem Leben eine erstaunliche Wandlung vor sich gehen: ein anderer Stil des Menschseins könnte geboren werden, indem die Grundfrage unseres Lebens nicht mehr länger lautete, wie führe ich mich vor den anderen vor oder wie führe ich mich vor den Anderen auf, sondern einzig darauf ausgerichtet wäre, wie ich dem anderen von Nutzen sein kann. Es ginge nicht länger mehr darum, wie ich mich vor den Augen der anderen durch Potemkinsche Dörferbauten, durch Größenstaffagen scheinbarer Herrlichkeit, absichern kann, es ginge darum, wie ich selber zu meiner eigenen Angst ja sagen und mit ihr eine Stück vertrauensvoller umgehen kann. Am Ende entstünde ein Freiraum, der es sogar ermöglicht, die Hilflosigkeit, die Angst, die Kleinheit auch im anderen wahrzunehmen und ihm die Chance zu geben, gefahrlos von den Podesten herunterzusteigen, auf die er in seiner Angst geflohen war."    Eugen Drewermann 

Die Idee von der Dominanz des Stärkeren, z.B. in Form einer Rangordnung, findet ihren Wiederhall in der Idee oder dem Konzept von der Existenz eines „Selbstwertes“ der uns durch unsere Leistung zugesprochen wird und den wir dann, wenn auch nur vorübergehend, als unser Eigen betrachten dürfen.

 

Er ist zusammengesetzt aus verschiedenen Qualitäten, Eigenschaften, Fähigkeiten, Ereichtem wie z.B. Ausbildung, Studienabschluß, Karriere und zahlt sich für uns aus oder setzt sich um in unseren Finanzen, in unseren Chancen auf dem Arbeitsmarkt, in unserem (scheinbaren) Wohlbefinden und Zufriedenheit, in unserer Gesundheit, in unseren sozialen Kontakten. Also durchaus erstrebenswerte Güter, die nebenbei helfen die Maschinerie einer Wirtschaft aufrechtzuerhalten.

 

 Welche Kosten sind jedoch mit der Erlangung eines „Selbstwertes“ verbunden oder was bedeutet es für jeden Einzelnen sich in dem Paradigma „Selbstwert“ bewegen zu müssen?

 

 Vorweg wäre zu erwähnen, dass Selbstwert hier nicht die Erlangung einer Selbstwirksamkeit meint, d.h. der Erkenntnis Dinge selbst erfolgreich tun oder umsetzen zu können, im Sinne eines Gewahrseins der eigenen Fähigkeiten und Talente und diese erfolgreich einzusetzen.

 

 Es geht vielmehr um das Prinzip „Selbstwert“ im Sinne von Stärke und Macht als Leitbild einer Kultur, die dadurch gezwungen ist die Existenz von Schwäche und Verletzlichkeit zu „entwerten“ und auszugrenzen.

 

Dem „Selbstwert“ als Person steht deren „Unwert“ gegenüber, welches Scheitern, Unzulängiglichkeit und „Schwäche“ beinhaltet und damit als „Wertlos“ abgelehnt und ausgegrenzt wird.

 

 Das ist der Schrecken dem jedes Individuum auf seinem Weg in die Gesellschaft begegnet und uns alle „hart“ macht.

 

 Signifaktoren für den  zentralen Stellenwert unseres Selbstwertes in unserem täglichem Erleben ist u.a. seine Verflochtenheit mit "unseren" Meinungen und Werten.

 

Sehr schön an den verbalen Schlachten zu sehen die in den Social Medias wie Facebook geschlagen werden, wenn es darum geht das meine Meinung die "Richtige" ist.

 

 Die Vehemenz mit der diese Wortgefechte ausgefocheten werden sind ein Gradmesser für die unbedingte Bedeutung die unser Selbstwert für uns hat, der sich dort gerade in Frage gestellt sieht.

 

Hier zeigt sich auch die enge Verknüpfung,  welche die Bedeutung des Recht habens und im Recht sein, für unserem Selbstwert hat.

 

Jede Kritik an unserer Person, jede "Belehrung", alle Beweise für unser "Unrecht", lassen uns, hier mal etwas drastisch ausgedrückt, in ein Höllenfeuer der Seelenqualen fallen, sofern unsere Abwehrmechanismen dem nicht schon,  mehr oder weniger unbewußt, einen Riegel vorgeschoben haben.

 

Wir sehen unseren "Wert" als Person in Frage gestellt. Wir sehen uns damit auch der "Schwäche" überführt. Wir werden in unserer "Unzulänglichkeit" gesehen und das "darf" und "kann" nicht sein! Die "Gefahr" die hier aufscheint, zeigt sich in der Sichtbarkeit eigener "Schwäche" in den Augen anderer. Da dies zu schwerwiegenden und äußerst schmerzhafen innerseelischen Prozessen führen kann, in denen wir uns selbst und unseren Selbstwert und damit unser "Überleben" in Frage gestellt sehen, tuen wir alles damit es nicht zu solch einem Inferno kommt.

 

Der Kontext in dem solche innerseelischen Prozesse ablaufen ist immer auch der unserer Stellung in der Gemeinschaft, d.h. unser Rang und Status, der uns in den diversen Gruppen in denen wir uns bewegen, zugewiesen wurde und der, wenn für uns von Vorteil, unbedingt erhalten bleiben muß. 

 

Diese seelischen Prozesse, denke ich, sind ursächlich verantwortlich für Krieg und Gewalt oder tragen wesentlich bei zu (unterschwelliger) Gewalt im Umgang miteinander, in unseren alltäglichen Kontakten - und zu Krieg auf internationaler Ebene.